Beiträge von Steffen Greiner

6. Hund

Jeder Schritt will wohl überlegt sein, gehe ich nachts durch mein Dorf. Obwohl: Oft reicht nicht einmal ein Hakenschlagen, weder verlangsamen noch schneller zu gehen. Auch die Straßenseite ist nicht weiter von Bedeutung. Will ich auf den Acker am Gallberg, Sterne gucken, bellen zwei Hunde am letzten Haus. Und will ich auf den Katerbower Berg, Sterne gucken, bellen zwei Hunde am Fuß der Senke. Begleiten mich, laufe ich entlang des Sees, mit ihrem Gebell. Einer heiser, einer laut und hoch, sie verfolgen mich entlang des Zauns.

Oft schrecke ich auf, gehe ich gedankenverloren entlang der Straßen. Plötzlich sind sie ganz nah. Eben war hier noch absolute Stille, schon springt etwas im Augenwinkel an die Zäune. Die Hunde von Katerbow: Einen Meter bloß entfernt fletschen sie Zähne, blicken mich warnend an. Immer wandern meine Augen zum Ende der Vorgärten und Hoftore, ob sie nicht doch einen Weg herausfinden könnten, mich zu stellen, den Eindringling, der ja gar keiner ist, genaugenommen. Immer wieder stelle ich beruhigt fest, dass sie bleiben müssen, wenn ich weitergehe, dass ihr Revier, dass die Hoheit ihrer Stimme über das Gebiet weit hinausgeht, durch das sie streifen. Manchmal sehe ich sie nicht einmal. Hinter Mauern und Holzlatten höre ich sie wimmern und winseln und kleffen, beständig ihre Bereitschaft kundtun, to stand their ground.

Und doch binden die Hunde meine Wege, lassen mich Umwege gehen. Möchte ich unbeachtet sein, muss ich Schleichwege nutzen. Aber nur solche, von denen ich weiß, dass kein Hund dort wacht. Wie in einem Stealth-Computerspiel, in dem ich als Spion, als Dieb, als Auftragskiller durch ungewisse Städte ziehe, mich an Wände drücke, unter Feuertreppen kauere, im Nebel die Orientierung gerade noch so bewahren kann, bewege ich mich dann durch das Dorf, denke mir die Aufmerksamkeit von Nasen und Ohren der Hunde mit roten Kegeln markiert wie die Sichtachsen feindlicher Wächter. Die Hunde von Katerbow geben dem Raum des Dorfes nicht nur eine Struktur von Lautstärke und Erschrecken, von Ertapptwerden und Weiterziehen, sie transformieren ihn auch: in einen des diebischen Glücks von Heimlichkeit.

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