Mit Nature Writing wird kein besonderes literarisches Genre, keine Gattung oder Textsorte bezeichnet. Es handelt sich um einen zusammenfassenden Begriff für Werke, die eine genaue Erkundung der Natur und Landschaft auf literarisch anspruchsvolle Weise vergegenwärtigen, was oft die Reflexion auf das erkundende Subjekt und auf das Mensch-Natur-Verhältnis einschliesst. Die Zurechnung zu dieser Art von Literatur ist offen und häufig umstritten.
Nature Writing kann eine wichtige Rolle in der gesellschaftlichen Verständigung über Natur spielen. Denn der primäre Ansatz von Nature Writing ist die möglichst genaue Wahrnehmung und Erkundung der Naturerscheinungen in Verbindung mit der Selbstprüfung des bzw. der Wahrnehmenden. Das schließt die Reflexion über die kulturelle Bedingtheit allen Wahrnehmens, Fragens und Urteilens ein.
Was im angelsächsischen Raum Nature Writing genannt wird, entwickelt nicht eine Theorie von Natur, sondern berichtet zunächst in gestalteter sprachlicher Form von sinnlicher Wahrnehmung bestimmter Erscheinungen oder Ensembles konkreter Umgebungen, von Lebensräumen im wörtlichsten Sinn. Beobachtung, genaue Erkundung, Begehung, of auch lang andauernde Teilnahme an bestimmten lokalen, eng begrenzten Lebenswelten bilden daher im klassischen Nature Writing die unerlässliche Erfahrungsgrundlage für das Schreiben.
aus: Ludwig Fischer „Natur im Sinn“ – Naturwahrnehmung und Literatur
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