Dieser Stein gehörte Jacques Brel. Der Chansonnier trug ihn stets bei sich in seiner linken Jackentasche, egal wohin er ging. Vielleicht dachte er, der Stein bringe Glück. Vielleicht war er ein Geschenk von Maddly, ein Mitbringsel aus Gwada. Man weiß nie, woher die Steine kommen. Irgendwann ist er geschmolzen, das ist klar, so wie Tausende dahinschmolzen, wenn Brel sang.
Der Sänger verwahrte ihn dort, wo auch die Zigaretten lagerten und so streifte die Kuppe seiner grünlichen Finger, wann immer er rauchen wollte (und das war oft), die raue, vor Olivin leicht moosig tränende Oberfläche des sternenhimmelgleichen Steinrückens.
Man kann die dürren, vom Tabak gefärbten Finger in den glatteren Abdrücken an der Seite des Steins erfühlen. Hält man den Stein, berührt man Jacques Brel. An einer Stelle erkennt man einen kleinen Schlitz. Wahrscheinlich hatte Brel seinen Fingernagel in panischen Situationen im Stein vergraben (dieses beruhigende Gefühl, einen Stein zu berühren).
Wie der Stein nach Temnitz gelangte, ist nicht bekannt. Ich fand ihn auf einem Kiesweg nicht unweit Rägelins. Er war das einzige schwarzschimmernde Licht in einem weißen Sand- und Kieselmeer. Er hat die gleiche Form wie mein Daumen. Seine Schwärze weicht, wenn man ihn in die Sonne hält, einer lichten, graugelben Unentschiedenheit; die Welt hat an ihm gearbeitet mit ihrer unberechenbaren Gewalt und der Stein ist müde geworden. Er rollt resignierend in meiner Hand wie ein nutzlos gewordenes Stück Teig.
Der Stein riecht nach Erde und Nikotin.
Er sieht ein bisschen so aus wie das obskure Flirren vor den Augen bevor man das Bewusstsein verliert. Brel schätze am Stein dessen Melancholie. Der Stein vermisst ihn, aber die Steine sind das gewöhnt. Sie verlieren so viele Menschen, es macht keinen Sinn mehr, über einzelne zu trauern. Mehr ist nicht bekannt.