Nietzsche und Pizza

Zu meiner Residenz wechselt die Stube zum temnitzschreiben den Ort: Anders als die Schreibenden in den beiden Jahren zuvor, bin ich in der Ölmühle Luisenhof in Katerbow untergebracht. Die Schafe mähen im Hintergrund, während ich meinen Kaffee trinke, und der Fahrradweg nach Netzeband lässt mich durch ein weites, im Kontrast zum blauen Himmel tiefgelbes Feld fahren. Obwohl ich auch auf dem Hof selbst immer Neues entdecke, gehe ich durch das Tor: Für die Naturwahrnehmung und für die Gedankenverarbeitung.

Friedrich Nietzsche war es, der einmal gesagt hat: „So wenig als möglich sitzen; keinem Gedanken Glauben schenken, der nicht im Freien geboren ist und bei freier Bewegung.“ Und tatsächlich hilft es den oder dem Gedanken, ein paar Schritte mit mir zu gehen. Oder es hilft umgekehrt mir, die Schritte mit ihm zu machen. Während ich also durch und aus und zurück nach Katerbow spaziere, kommen mir ein paar zutrauliche, interessante, glaubwürdige Gedanken. Und was tue ich (mit ihnen)? Zunächst einmal: Weitergehen.

Ich denke daran, dass man einen Gedanken gehen lassen kann wie man Teig gehen lässt. Vielleicht, aber nur vielleicht, hat sich dieser Vergleich bei mir eingeschlichen, weil hier auf der Ölmühle Luisenhof jeden Freitag Abend frische Pizza zubereitet wird. Aber er erscheint mir treffend: Die Eindrücke kommen von überall, aus dem Kühlschrank, aus dem Wasserhahn, aus der Vorratskammer, aus der Lektüre der aufgeschlagenen Bücher in meiner Residenzwohnung, aus Gesprächen mit Menschen vor Ort, aus postkartenähnlichen Perspektiven auf den Mohn und die Baumkronen, aus Inspirationen, die bald das Mindesthaltbarkeitsdatum überschreiten. Alles zusammengeknetet liegt unförmig da, muss erstmal von den klebrigen Fingern abgewaschen werden. In einer Schüssel zugedeckt werden. So kann der Gedanke gehen.

Aber auch nicht zu lange, sonst fällt er in sich zusammen!

Und wenn er dann für sich ein wenig gegangen ist, und ich auch gegangen bin in der heißen Mittagssonne, ist der Gedankenhefeteig „optimal auf das Backen vorbereitet“, wie mir die Website Eat Smarter sagt. Ich setze mich also an den Schreibtisch, ent-decke den zugedeckten Gedanken —

und wünsche Euch und Ihnen:

Guten Appetit!

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