Abgelenkt von der erstaunlichen Dammarbeit eines Bibers an der Temnitz nicht unweit Rägelins, übersah ich beinahe das bläuliche Lächeln, das mir vom Schotterweg aus entgegenstrahlte. Es war mehrfach gebrochen, von Unreinheit, Blässe und Altersflecken durchsetzt, aber aufrichtig und herzlich. Ein bisschen erschrak ich, es wird ja nicht mehr viel gelächelt heutzutage. Wenn dir jemand zulächelt, so lernte ich einmal, lächle zurück. Was aber wenn das Lächeln einem Stein gehört, einem Hornstein in diesem Fall? Ich lächelte zurück, wollte ja kein Unmensch oder Unstein sein. Vorsichtig nahm ich den Hornstein in meine Hand. Er ließ es über sich ergehen. Steine sind unendlich duldsam. Sofort erfühlte ich seine scharfen Kanten, sein unberechenbar wechselndes Spiel aus Rauheit und Sanftheit. Das durch die ausgestrahlte Freundlichkeit vermittelte Vertrauen wurde erschüttert. Vielleicht war das Lächeln reiner Spott? Oder er schmunzelte nur über meine viel zu lauten Schritte auf diesem Weg? Oder er kaschierte damit seine Müdigkeit und Unsicherheit, so wie ich manchmal lächle, um Menschen mitzuteilen, dass ich gerne allein sein möchte. Das gelingt eher selten, auch nicht für den Hornstein. Der liegt jetzt bei mir. Ich schaue ihn an. Sich ineinanderschiebende Platten, sich auftürmende Schichten von kleinsten Schwammskeletten und Moostierchen, die sich in den Stein eingeschrieben haben, die den Stein erst Stein werden lassen und die stets das Tiefere erahnen lassen, ganz so wie wenn eine kleine Geste oder ein unbedacht geäußertes Wort den Blick in die Seele offenbart. So ein Hornstein ist ein Text, den man lesen können muss. An ihm erkennt man, wenn man denn möchte, dass sich ein (Text-) Körper unentwegt aus Zerfall und Zusammensetzung erschafft, ein ständiges Sterben und Beleben, Austrocknen und Bewässern, Vergessen und Erinnern, Lächeln und Weinen. Der nagende Landschaftsarchitekt, der nicht unweit meines Steines werkelte, kennt sich damit aus. Auch er schichtet alles um, um Neues fließen zu lassen. Dass beide aufgrund dieser Erkenntnis vielerorts unbeliebt sind, zeigt letztlich nur, wieviel Angst wir vor dem eigenen Körper haben. Der Hornstein kann mir diese Angst nicht nehmen. Aber er verbildlicht sie und dass er dabei lächelt, könnte mich beruhigen, wenn ich denn wüsste, wie sein Lächeln zu deuten wäre.