Steinnotizen: Psephit

Bei einem Spaziergang auf der Kyritz Ruppiner Heide blinzelte mir ein unscheinbares Steinchen aus dem Sand entgegen. Ich konnte es kaum von einem Sandkorn unterscheiden. Erst als ich mich zu ihm kniete und es aus der durch meine Finger rinnenden Trockenheit siebte, erkannte ich diesen vom Leben zerfressenen Fetzen ehemaliger Gebirge.

Ich habe eine Schwäche für die kleinen Dinge. Vor allem für die, die so klein sind, dass man sie kaum mehr sieht. Sie stehen der Unsichtbarkeit so nah, dass sie mir vielleicht von ihr berichten können. Manchmal denke ich, dass es sich bei diesem lockeren Geröll eigentlich um Schnipsel von Zähnen oder Knochen handelt. Ich weiß es ja nicht mit Sicherheit. Oder sind es von gesättigten Pirolen ausgespuckte Körner? Das Zerreibsel der Welt, die sich unter uns zersetzende Geschichte, die vorgaukelt, ein fester Boden zu sein. 

Wenn man das Psephit ins Ohr legt (Kindern ist davon abzuraten!), hört man noch die Schüsse durch die ehemals vom sowjetischen Militär genutzte Heide knallen. Steine sind da wie Muscheln, die das Rauschen des Meeres mit sich tragen, wo auch immer sie sind. Vielleicht ist dieses Steinchen auch ein Bombensplitter. Ich betrachte seine Geschwister auf dieser Heide und erkenne wie lächerlich ihnen die friedliche Stille erscheinen muss. Sie wissen besser als wir alle, dass am Ende kein Stein auf dem anderen bleiben wird.  

Bei Sedimenten unterscheidet man nach Größen, erinnere ich mich. Steine, Kies, Sand, Silt und Ton. Die Wissenschaftler sprechen erst von einem Stein, wenn der Durchmesser 63mm übertrifft. Solche Narren! Ich habe Steine gesehen, die so klein waren, dass man sie nicht mal unter einem Mikroskop erkennen konnte. Ein irischer Freund, MacCruiskeen heißt er, der hat eine ganze Steimsammlung, die aus Exemplaren besteht, die man nicht sehen kann. Er hat sie mir zweimal gezeigt. Es sind herrlich bunte, eigenartige Steine und wenn ich einmal die Zeit finde, werde ich mir just eine solche Sammlung zulegen.

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